Veranstalter: Es wird keine Loveparade mehr geben
Nach der Massenpanik bei der Loveparade hat der Organisator Rainer Schaller das Aus der Loveparade für die Zukunft verkündet. Aus Respekt vor Opfern und Angehörigen werde es die Veranstaltung nicht mehr geben. In einem Tunnel vor dem Gelände starben mindestens 19 Menschen, mehr als 340 weitere wurden verletzt. Augenzeugen und die Polizeigewerkschaft äußerten scharfe Kritik an den Sicherheitsvorkehrungen bei dem Raver-Spektakel.
Nach der tödliche Massenpanik hat die Staatsanwaltschaft offiziell die Ermittlungen aufgenommen. "Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat sofort ein Ermittlungsverfahren eingeleitet", sagte Detlef von Schmeling vom Polizeipräsidium Duisburg. Zwei Strafanzeigen gingen bisher ein.
Die meisten Toten seien auf der westlichen Seite der Zugangsrampe gefunden worden. 16 Opfer seien bislang identifiziert, die Angehörigen seien informiert. Unter den Opfern befanden sich demnach auch ein Niederländer, ein Australier, ein Italiener und ein Chinese. Die Toten waren zwischen etwa 20 und 40 Jahre alt.
Krisenstabsleiter Rabe verteidigte den Veranstaltungsplatz auf dem alten Güterbahnhof. Er könne grundsätzlich bis zu 300.000 Menschen aufnehmen. Er sei zum Zeitpunkt der Unglücks nicht vollständig gefüllt gewesen. Zuvor hatte es Kritik gehagelt, weil das alte Bahnhofsgelände Platz für maximal 250.000 Menschen habe. Zur Loveparade waren nach Angaben der Behörden etwa 1,4 Millionen Menschen nach Duisburg gekommen. Bereits im Vorfeld der Technoparade hatte es Zweifel gegeben, ob das Gelände und der Zugang für die Menschenmassen geeignet sein würden.
Tunnel war ein tödliches Nadelöhr
Bis kurz vor der Katastrophe gab es nur einen Zugang zum Festgelände, und der war lediglich durch einen 16 Meter breiten und 100 Meter langen Straßentunnel unter den Bahngleisen zu erreichen. Dort entstand ein unerträgliches Gedränge, als tausende Besucher noch zur Veranstaltung hin, andere wiederum zurück wollten. Nach Angaben von Stadtverwaltung und Polizei waren eine ganze Reihe von Fans auf die schmale Treppe geklettert, die aus dem Tunnel herausführte, und abgestürzt - andere hätten in Panik vergeblich versucht, die Sicherheitszäune um das abgeriegelte Gelände zu erklimmen. Viele sind in dem Andrang zusammengebrochen. Gefallene Besucher sind buchstäblich tot getrampelt worden.
Von Schmeling sagte, dass die Polizei kurz vor dem Unglück eine zweite Zugangsrampe geöffnet habe, damit der Druck auf den ersten Zugang nachlasse. Teil des Sicherheitskonzeptes sei gewesen, den Zugang zum Tunnel zu regulieren, sagte von Schmeling. Das sei den ganzen Tag über durch die Polizei erfolgt. Der Zugang zum Gelände sei aber zu keinem Zeitpunkt gesperrt gewesen. Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens hat es nach Informationen von Schmeling noch Platz auf der Rampe gegeben. "Es liegen keine Erkenntnisse vor, nach denen es einen so großen Druck auf den Tunnel gegeben hat, dass es zu diesem Unglück kommen musste", sagte von Schmeling. Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) nannte das Sicherheitskonzept stichhaltig und sagte, wahrscheinlich seien "individuelle Schwächen" Auslöser der Katastrophe gewesen. Nach Polizeiangaben sind mehr als 4000 Beamte im Einsatz gewesen.
Polizeigewerkschaft beschuldigt Stadt und Veranstalter
Die Deutsche Polizeigewerkschaft hat die Schuld für die Katastrophe bei der Duisburger Loveparade Stadt und Veranstaltern gegeben. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der "Bild"-Zeitung: "Letztlich sind Stadt und Veranstalter für die Tragödie verantwortlich." Wendt führte weiter aus, er habe schon vor einem Jahr gewarnt, Duisburg sei kein geeigneter Ort für die Loveparade. "Die Stadt ist zu klein und eng für derartige Veranstaltungen." Der Polizeigewerkschafter sieht das Problem nicht beim Festival-Gelände selbst, sondern bei den Wegen dorthin. Eine Schuld der Polizei sieht Wendt nicht.
Darüber hinaus hat die Polizeigewerkschaft in Nordrhein-Westfalen den Veranstaltern eine teils fahrlässige Vorbereitung vorgeworfen. Die 19 Toten und 342 Verletzte seien Opfer "materieller Interessen eines Veranstalters, der unter dem Deckmäntelchen der "Kulturhauptstadt 2010"" Druck ausgeübt habe, sagte der stellvertretende Landesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Wolfgang Orscheschek, in einer Mitteilung.
Aus Sicherheitsgründen wurde die Loveparade nicht sofort abgebrochen. Ohnehin herrschten nach der Katastrophe teilweise chaotische Zustände. Die Panik entstand in einem Tunnel der Karl-Lehr-Straße vor dem eigentlichen Loveparade-Gelände am alten Güterbahnhof der Stadt. Bundespräsident Christian Wulff reagierte bestürzt auf das Unglück. Er forderte zugleich eine rückhaltlose Aufklärung. Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ erklären: "Ich bin entsetzt und traurig angesichts des Leids und des Schmerzes."
Zuschauer über Autobahn abgeleitet
Die Notausgänge der Loveparade-Geländes wurden nach dem tragischen Unfall geöffnet. Die Zuschauer wurden nach Angaben der Stadt Duisburg über die Autobahn 59 und die Anschlussstelle Hochfeld auf die Düsseldorfer Straße abgeleitet. Alle noch ankommenden Besucher wurden am Hauptbahnhof angehalten, wieder umzukehren. Die Autobahn ist inzwischen wieder geöffnet. Die Räumung des Geländes habe "reibungslos geklappt", sagte ein Polizeisprecher.
Dass die Veranstalter die Musikparty zunächst weiterlaufen ließen, erklärte der Pressesprecher der Stadt Duisburg, Frank Kopatschek, mit der Sorge um die Sicherheit der 1,4 Millionen Besucher. "Der Krisenstab hat entschieden, die Veranstaltung noch nicht zu beenden, weil im Moment zu viele Menschen auf dem Gelände sind", sagte Kopatschek.
Dritte Loveparade im Ruhrgebiet
Die dritte Loveparade im Ruhrgebiet war am Nachmittag friedlich gestartet. Ab 14 Uhr rollten 15 sogenannten Floats über das Gelände des ehemaligen Güterbahnhofs der Ruhrgebietsstadt. Erstmals fuhren die Paradewagen nicht wie in früheren Jahren durch die Innenstadt, sondern auf einem abgesperrten Gelände im Kreis. Schon zwei Stunden vor dem Startschuss hatte in der Duisburger Innenstadt am Mittag Ausnahmezustand geherrscht, als sich Hunderttausende Elektro- und Technofans ihren Weg dorthin bahnten. Die Polizei hatte die Innenstadt weiträumig abgesperrt, um den zu kontrollieren. Die Loveparade, die bis 2006 in Berlin stattfand und danach in wechselnden Städten des Ruhrgebiets, stand in diesem Jahr unter dem Motto "The Art of Love" (die Kunst der Liebe).