Ja, das Spiel ist auf die Gesamtlänge verteil etwa 5h zu lang, das Gefühl hatte ich auch. Das lag aber für mich nicht daran, dass ganze Abschnitte zu viel/unnötig waren, sondern dass alles im Grunde etwas kürzer sein könnte. Bei den Fluchtszenen einfach ein oder zwei Kurven weniger, bei den Kämpfen in offenem Gelände einfach mal eine Verstärkungswelle weniger (wobei man an den meisten Kämpfen ja sogar vorbeikam, wenn man vorsichtig war), etc.
Was die Story angeht, kann ich den Hate und die Kritik nicht nachvollziehen. Wie BlackGhostrider
hier schon geschrieben hatte, war das Verhalten der Leute menschlich. Es war eine Extremsituation, in der jede Hilfe erst einmal dankbar angenommen wurde. Tatsächlich glaube ich auch, dass die Leute etwas unvorsichtig geworden sind, weil eben so lange nichts passiert ist. Die Gefahr durch Menschen scheint klein bis nicht mehr vorhanden zu sein. Die Patrouillen reden immer nur noch von Infizierten und wie man in dem Logbuch des ersten Lookouts selbst nachlesen kann, ist schon lange nichts mehr passiert, was feindliche Menschen betrifft. Selbst Infizierte waren selten.
In den 4 Jahren werden die etlichen andere Menschen getroffen haben, von denen sich viele davon sicher auch in der Stadt angesiedelt haben.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau hier jemand auftaucht, der nach Joel sucht?
Selbst Abby war anfangs hoffnungslos überfordert, als die bemerkt, wen sie da vor sich hat, nachdem er sie gerettet hatte. Achtet nur mal auf ihr Gesicht und die Augenbewegung, als Joel sich als Joel vorstellt.
Das ist kein Bad Writing, das ist einfach eine realistische Sicht auf Menschen und wie sie sich in Extremsituationen verhalten. Nämlich nicht immer rational und klug, sondern impulsiv und emotional.
Dann gab es die Kritik, dass man nicht alles erfährt oder vieles im Dunkeln bleibt. Ja, das stimmt, aber auch das ist realistisch. Das Spiel gibt dir nur die Informationen, die man selbst als Ellie oder Abby in der jeweiligen Situation haben kann. Es gibt auch keine einzige Szene/Cutscene, die nicht durch einen der gespielten Charaktere getragen wird. Alles was man als Spieler erfährt, erfährt auch der aktuell gespielte Charakter selbst.
Auch das ist kein Bad Writing oder gar Faulheit der Schreiber sondern ein beliebtes Stilmittel, um eben dem Spieler nicht alles auf dem Silbertablett zu servieren und einen Teil der Story der eigenen Fantasie zu überlassen.
Gleiches gilt für das Ende. Ja, wir wissen nicht, was jetzt mit Ellie ist. Wir wissen nur, dass Dina und das Baby weg sind, weil sie nicht mehr auf Ellie und den Ausgang ihrer Rache warten wollte. Das hat sie ihr zum Abschied gesagt und genau das ist eingetreten.
Auch dass das Ende kein Happy End ist (wie die erste Szene auf der Farm), finde ich gut. Denn genau das ist die Zusammenfassung der gesamten Story. Es geht um Rache und was aus einem selbst (und dem Leben) wird, wenn man sich von dieser Rache auffressen lässt.
Und das trifft auf beide Seiten zu.
Abby verliert durch ihre Rache an Joel all ihre Freunde. Jeder einzelne wird aufgrund ihres Mords an Joel von Ellie oder Tommy getötet.
Abby allerdings bekommt im letzten Moment in dem Theater die Kurve (auch dank Lems Eingreifen), lässt Ellie laufen und kann so für sich diesen Teufelskreis durchbrechen (und so auch ihren letzten Freund Lem retten).
Ellie hingegen hatte dieser Chance auf der Farm ebenfalls und lässt sie verstreichen, um weiter ihrer Rache zu folgen. Zwar erkennt sie am Ende am Strand, dass es falsch ist, dass sie Joel schon vor langer Zeit verziehen hat und dass er niemals wollen würde, was sie gerade tut. Denn er wollte immer nur, dass sie lebt. Dass sie glücklich ist und ein einigermaßen normales Leben führen kann, was seiner eigenen Tochter nicht möglich war. Er würde niemals wollen, dass sie das alles wegwirft, nur um seinen Tod zu rächen.
Doch leider ist es da für sie schon zu spät. Sie erkennt ihren Fehler, lässt die beiden gehen aber ist bereits zu weit gegangen.
Sie hat alles verloren, was ihr wichtig ist. Dina ist mit JJ (Joel Jessie? Jessie Joel?) weg, sie kann nicht mehr Gitarre spielen, da ihr zwei Finger fehlen und hat niemanden mehr, zu dem sie zurückkehren kann. Die letzte Szene war für mich das perfekte Ende. Ellie geht gebrochen zurück in die Wildnis. Was sie jetzt tut, wissen wir nicht. Lebt sie von nun an allein? Erschießt sie sich vielleicht sogar im Wald? Wir werden es wohl nicht erfahren und genau das macht für mich den Reiz aus.
Naughty Dog wollte uns zeigen, was mit einem passiert, wenn man sich in der eigenen Rache verliert und was das für Folgen hat. Und das haben sie meiner Meinung nach unglaublich gut geschafft.
Auch die Kritik, dass man die "Gegenseite" spielt und so viel Zeit mit Abby verbringen muss, finde ich super. Klar fühlt man sich am Anfang etwas rausgerissen, aber ich fand es war genau der richtige Zug.
In den ersten Kapiteln des Spiels habe ich ganz gamertypisch voller Freude jeden Gegner geschlachtet und jeden Hund verbrannt, den ich finden konnte. Man ist so darauf trainiert, dass die Gegenseite der Feind ist, dass man das gar nicht mehr hinterfragt. Auch dass die Gegner sich gegenseitig beim Namen nennen war mir vollkommen egal.
Aber dann dieser Zug, dass man die Leute kennenlernt, ja sogar einzelne der simplen Gegner, die man vorher ohne großartig nachzudenken erledigt hat (Stichwort Bear oder das Mädchen mit der PS Vita), wieder trifft, mit ihnen reden kann/muss und eben erkennt, dass das alles eigentlich gar keine bösen Menschen sind, sondern eine Gemeinschaft, wie auch die in Jackson, mit Farmen, Hospitälern und sogar Schulen, hat mich echt etwas aus der Spur gebracht. Ich meine, Nora war eine Ärztin oder eine Krankenschwester, die wahrscheinlich in ihrem Leben noch nie böses getan hat und ich habe sie mit einer Eisenstange gefoltert und erschlagen, nachdem ich sie in Sporen gezwungen habe...
Klar wirkt das nicht bei jedem Spieler so und vielen sind die Gegner dann wahrscheinlich immer noch egal, aber das ist dann nicht die Schuld des Spiels oder der Writer. Es wirkt eben nicht alles bei allen Spielern gleich. Bei mir hat es gewirkt und ich bin dankbar, dass ND diesen Weg gegangen ist. Zeitweise hatte ich sogar gehofft, dass Abby Ellie am Ende tötet, einfach weil ich Rache für all ihre getöteten Freunde wollte. Und da sind wir genau wieder bei dem Thema, dass ND mit dieser Geschichte treffen wollte. Rache und ihre Folgen für die Leben der betroffenen Menschen. Hut ab dafür.
Für mich das Game der Generation PS4. Nicht was das Gameplay angeht, dass ist solide und erfindet das Rad nicht neu. Muss es aber auch nicht, denn ich wollte ein TLOU2 mit TLOU1-Gameplay haben und habe es bekommen. Shooter haben sich in den letzten 10 Jahren auch nicht weiterentwickelt, man läuft, fährt oder fliegt mal und ballert Gegner in wechselnden Texturen um. Trotzdem sagt hier keiner, dass das eintönig ist und Shooter doch bitte mal alles neu machen wollten. Für mich ist es die Story und die Art wie sie erzählt wird. Die Aussage, die ND hier treffen will und auch trifft. Das ist für mich ein wichtiger Schritt dazu, dass Games endlich als Kunst angesehen werden.