Materazzi gesteht Beleidigung Zidanes
Lippenleserin: "Sohn einer Terroristen-Hure"London/Rom - Das Rätsel um den folgenschweren Ausraster des französischen Fußballers Zinédine Zidane im Finale der Fußball-WM in Berlin ist angeblich gelöst: Wie die Londoner Tageszeitung "The Times“ am Dienstag berichtete, hatte sein italienischer Gegenspieler Marco Materazzi den Spross algerischer Eltern einer Lippenleserin zufolge beim Endspiel am Sonntag als "Sohn einer Terroristen-Hure“ beschimpft. Zidane war auf Materazzi zugelaufen und hatte ihn mit einem Kopfstoß gegen den Brustkorb umgerannt. Daraufhin war der 34-jährige Ausnahmefußballer in seinem letzten Spiel als Profi vom Platz gestellt worden. Nach Angaben seines Managers will sich Zidane "in den nächsten Tagen“ zu dem Vorfall äußern, der weltweit für Aufsehen gesorgt hatte.
Materazzi räumte ein, dass er Zidane vor dem Kopfstoß beleidigt hatte, ohne den Inhalt seiner Äußerungen preiszugeben. Der Franzose habe sich vor dieser Beleidigung "super-arrogant“ verhalten, verteidigte er sich nach einem Bericht der italienischen Sportzeitung "La Gazzetta dello Sport“ vom Dienstag. Auf die Frage, ob sich seine Worte gegen Zidanes Schwester gerichtet hätten, antwortete der Abwehrspieler ausweichend: Es sei "eine Beleidigung von der Art“ gewesen, "wie man sie Dutzende Male hört und die uns auf dem Platz oft herausrutschen“. Er habe Zidane nur kurz am Trikot festgehalten. Darauf habe ihn der Franzose herablassend gemustert und gesagt, wenn er wolle, könne er das Trikot nach dem Spiel haben. "Ich habe ihm mit einer Beleidigung geantwortet, das stimmt.“
Materazzi: "Für mich ist die Mama heilig"
Materazzi bestritt, Zidane einen Terroristen genannt zu haben. "Ich bin nicht gebildet, ich weiß nicht einmal, was ein islamistischer Terrorist ist - und meine einzige Terroristin ist sie“ fügte der 32 Jahre alte Materazzi dem Bericht zufolge mit einem Blick auf seine zehn Monate alte Tochter hinzu. Die Kleine lag demnach an seiner Seite in dem Flugzeug, das Italiens Weltmeister-Elf in die Heimat flog. Materazzi beteuerte zudem: "Und ich habe ganz bestimmt nicht die Mama von Zidane beschuldigt - für mich ist die Mama heilig.“ Die Tageszeitung "Corriere della Sera“ verwies darauf, dass der Spieler von Inter Mailand seine eigene Mutter im Alter von 14 Jahren verloren habe und gewiss niemals die von Zidane beleidigt hätte.
Uneinigkeit bei Lippenlesern
Die "Times“ beauftragte die als Gutachterin für britische Kriminalverfahren zugelassene Jessica Rees, Videobilder vom Streit zwischen Zidane und Materazzi auszuwerten. Mit Hilfe eines italienischen Dolmetschers las Rees von Materazzis Lippen die Worte "der Sohn einer Terroristen-Hure“ ab, anschließend dann: "Verpiss’ dich doch einfach“. Andere Lippenleser kamen nach Angaben des brasilianischen TV-Senders Globo zum Ergebnis, Materazzi habe Zidanes Schwester als "Hure“ beschimpft. Nach einem Bericht des britischen "Guardian" will ein italienischer Lippenleser herausgefunden haben, dass Zidanes Gegenspieler Marco Materazzi den Franzosen unter anderem mit den Worten beleidigt habe: "Ich wünsche Dir und Deiner Familie einen schrecklichen Tod."
Zidane redet "in den nächsten Tagen"
Zidanes Manager Alain Migliaccio sagte, Materazzi habe Zidane nach dessen Worten etwas "sehr Ernstes“ gesagt. "Er wollte mir aber nicht sagen, was“, sagte Migliaccio der BBC am Montagabend. Zidane habe nicht darüber sprechen wollen“, aber er wird darüber in den nächsten Tagen reden“. Üblicherweise bleibe Zidane gelassen, am Sonntagabend im Berliner Olympiastadion sei aber "etwas in ihm explodiert“. Der Spieler sei über den mit einer Roten Karte bestraften Ausraster in seinem letzten Spiel "sehr enttäuscht und traurig; er wollte nicht, dass es so zu Ende geht“. Italien hatte sich nach Zidanes Platzverweis den WM-Titel im Elfmeterschießen geholt.
FIFA: Kein Videobeweis
Unterdessen hat die FIFA Spekulationen zurückgewisen, wonach die Rote Karte für Zidane aufgrund eines nicht erlaubten Videobeweises ausgeprochen wurde. Laut Fußball-Weltverband am Dienstag kam der Hinweis auf die Tätlichkeit des französischen Kapitäns vom vierten Schiedsrichter Luis Medina Cantalejo. Der Spanier habe den Ausraster des französischen Spielmachers von seiner Position am Spielfeldrand "ohne Zuhilfenahme eines Monitors gesehen", heißt es in der Presseerklärung. (lh/pf)