nachfolgenden Text hatte ich mal für meine Homepage verfasst
Ich hoffe, es ist ok, wenn ich diesen Retrotext auch in dieser Retroabteilung ablege.
Wenn ja, dann hätte ich noch zu etlichen Konsolen persönliche Berichte - aber das lass ich dann mal lieber
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Und nun schwelge ich in Erinnerungnen:
Als ich 11 Jahre alt war, bekam ich zu Weihnachten diesen wundersamen "elektronischen Holzmöbelkasten“ geschenkt. Ich war absolut fasziniert von dieser Konsole. Kids von heute werden sich nicht wirklich vorstellen können, wie wir uns einst für Spiele einer Konsole begeistern konnten, die gerade einmal über einen Arbeitsspeicher mit 128byte Rechenleistung verfügte. Aber es war der Beginn eines neuen Zeitalters.
Der Atari 2600 stellte seinerzeit eine Revolution dar, denn es war die erste richtige Spielkonsole der Welt, von der vorausgegangen “Pong-Konsole” eimal abgesehen. Und damals wusste auch so gut wie niemand, für was so ein Arbeitsspeicher eigentlich gut war. Mit Begriffen wie Bytes oder RAM konnten 1982 die wenigsten Konsolenbesitzer etwas anfangen.
Ich z.B. empfand diesen Kasten als eine Art Zauberkiste, die mir Spiele auf den Fernseher „teleportierte“ und mir dabei ein Gerät (Joystick) in der Hand drückte, mittels dem ich diese Zauberspiele steuern konnte. Dieser magische Kasten erlaubte es mir, dass ich Herr über diverse Spielwelten wurde. Ich erinnere mich noch daran, wie ich mir wieder und wieder mein kleines Gehirn zermarterte, wie diese Spiele wohl bloß auf diese Module kamen. Ich fand keine Antwort und somit empfand ich es am Anfang als Magie.
Bis zu 140 Mark(!) kosteten die Module damals. Ein Wahnsinnspreis, wenn man bedenkt, dass sie damit teurer waren, als die teuersten heutigen Spiele. Nur eben, das 70 Euro vor 30 Jahren einen viel höheren Wert darstellten. Dennoch brachte ich es (vor allem durch Betteleien, Zeitungen austragen etc.) zu einer beachtlichen Sammlung.
Zu den Modulen, die ich besessen habe, zählten u.a. “Pitfall”. Und Pitfall stellte für damalige Verhältnisse einen grafischen Leckerbissen dar. Als ich es bekam, verkündete ich meinem besten Freund mit stolzgeschwellter Brust, dass ich ein Spiel geschenkt bekommen hätte, bei dem alles wie im echten Leben aussehen würde. Ich berichtete von diesem Spiel mit einem riesigen Dschungel, in dem unendlich viele Gefahren lauerten. Darunter ungemein realistisch dargestellte Skorpione und beängstigend wirkende Krokodile und echten Sümpfen. Tatsächlich bestand das gesamte Spielgebiet lediglich aus 255 Einzelbildschirmen und einigen (z.T. animierten) Pixelbergen. Aber für mich/uns war es einfach ein Hammergame mit einer unglaublichen Grafik und immensen Spieltiefe.
Tja, so sah 1982 extrem realistische Konsolengrafik aus
Mein absolutes Lieblingsspiel auf dem Atari 2600 (zumindest war es jenes, was mich am längsten an den Fernseher fesselte), hieß “River Raid”. Es bot erstmals so etwas wie ein „butterweiches Scrolling“. Man steuerte ein Flugzeug über einen Fluss, der (wenn ich mich recht erinnere) aus 56 Abschnitten bestand. Man flog mit der Draufsicht und schoss auf alles, was sich auf dem Fluss bewegte und musste (was zumindest für mich oft die größere Herausforderung darstellte) den jeweils nächsten Treibstofftank erreichen, ehe einem der Sprit ausging. Ich schaffte es nur ein einziges Mal, das Ende des kompletten Flussverlaufes zu erreichen und dennoch konnte ich den Joystick nicht aus der Hand legen. Die Grafik war absolut minimalistisch. Und dennoch urteilte die Bundesprüfstelle seinerzeit über dieses 16 Kilobyte große Ram-Modul wie folgt:
River Raid lässt den Spieler in die Rolle eines kompromisslosen Kämpfers und Vernichters hineindenken. Im Kindesalter findet eine paramilitärische Ausbildung statt. Und auch bei älteren Jugendlichen würde dieses Spiel zu Ärger, Aggressivität und Fahrigkeit im Denken führen.
Nun ja, mich hatte einst nur der fiese Schwierigkeitsgrad und die mörderische Kollisionsabfrage aggressiv gemacht.
jugendgefährdendes Killerspiel?
Viele Konsolenspiele der ersten Genration waren so sauschwer, dass fast niemand ihr Ende sah. Dies lag vor allem in der geringen Speicherkapazität begründet, die es den Machern kaum erlaubte, einen ausbalancierten Schwierigkeitsgrad einzubauen. Oft wurden Feinde/Gegner einfach mit jedem Level schneller/oder die Zeit für das Erreichen eines Ziels zunehmend kürzer etc. Ich glaube bei vielen der damaligen Spiele, haben wohl selbst die Spielentwickler ihre Spiele nie komplett bis zum Ende durchspielen können. Wie unglaublich einfach die Spiele gestrickt waren, zeigte zum Beispiel das Modul “Boxing”. In der Draufsicht sah man zwei Pixelfiguren in einem Ring stehen. Das Schlagrepertoire bestand aus einem einzigen Schlag. Und Sieger war der, der zuerst 100 Treffer landete. Trotzdem hat mich danach kein Boxspiel mehr so viele Stunden an den Bildschirm gefesselt wie dieses allererste Konsolen-Boxspiel.
Geil, da sieht man jede Hautfalte!
Spiele wie “Space Invaders” oder “Defender” oder auch “Centipede” konnten mich auf dem Atari 2600 übrigens nicht wirklich begeistern, obgleich sie zu den größten Verkaufsschlagern zählten. Und was so viele Menschen seinerzeit an “Pac Man” finden konnte (mich inklusive), scheint mir heute rätselhaft, zumal auch bei diesem Modul der Schwierigkeitsgrad ziemlich schnell anzog. Ich glaube, ich kam niemals über Level 7 oder 8 hinaus. Und ein Level war ja nix anderes, als ein bildschirmgroßes Labyrinth. Und trotzdem musste ich später auch unbedingt “Mrs. Pac Man” haben.
Decathlon versetzte uns damals ebenfalls in große Begeisterung und brachte uns jede Menge Blasen an den Fingern ein. Was für eine bahnbrechende Grafik – was für eine Spielfülle – 10 Disziplinen und dazu noch einen Zweispielermodus. Wir warten paralysiert vor Verzückung! Dass das Gameplay bei diesem Sportwettkampf fast immer nur ein hysterisches hin- und her- bewegen des Joysticks erforderte, störte uns nicht weiter. Im Gegenteil. Wir empfanden “Decathlon” als große Herausforderung an uns und unsere Joysticks.
Ich zog für dieses Spiel z.B. den Gummiüberzug des Sticks ab, um schnellere Bewegungen herbeizuführen. Dies brachte mir zwar noch größere Brandblasen ein – aber dieses Spiel war halt nur für echte Kerle – also für jemanden wie mich! ;-)
“Dig Dug” zählte ebenfalls zu meinen Lieblingsspielen auf dem Atari 2600. Unter der Erde pumpte man Gegner auf, bis diese platzten. Das Spielfeld bestand auch bei diesem Spiel aus nur jeweils einem Bildschirm. Und auch bei diesem Spiel erreichte ich niemals den letzten Levels – nicht einmal annähernd – und dennoch kam ich nicht davon los.
Und ich erinnere mich noch, als ich meinen Cousin besuchte und dieser mir “Pole Position” zeigte. Ich war richtig neidisch, weil er dieses Spiel besaß und ich nicht. Es sah so grafisch so genial aus, das es mir fast von einer neuen Konsolengeneration zu stammen schien. Und dann diese Komplexität. Ein Rennspiel, bei dem sich Reifen abnutzten und es Boxenstopps gab. WOW!
Aus heutiger Sicht kann man “Pole Position” wie folgt beschreiben: extrem pixelige Formel-1-Boliden (oder was auch immer diese Dinger darstellen sollten) bewegen sich extrem ruckelig über total eintönige sich ständig widerholende Streckenverläufe. Dabei wird der Spieler mit einer extrem hinterhältigen Kollisionsabfrage in den Wahnsinn getrieben. Damals empfand man es allerdings ganz anders. Deshalb musste ich mir natürlich auch dieses Spiel sofort kaufen lassen und wenn ich dafür wochenlang freiwillig häusliche Arbeitsdienste verrichten musste!
Bei diesem Spiel wurden wir Knaben damals feucht im Schlüpfer
Und noch eine ganz besondere Erinnerung habe ich an ein ganz bestimmtes Spiel dieser Konsole. Es hieß “Space Shuttle”. Zusammen mit meinen heute noch besten Freund saßen wir gebannt vor dem Fernseher und brachten das Space Shuttle gemeinschaftlich zum Mond/Mars und wieder zurück. Das wir letztlich die ganze Zeit über nur eine Art von Demo anschauten (bei der man hin und wieder etwas drücken konnte, um das Gefühl zu haben, dass man selbst spielte), wollten wir nicht wahr haben. Ich übrigens bis um heutigen Tage nicht! ;-)
Nein, wir haben es geschafft – wir allein! Wir waren Giganten – Pioniere - unserer Zeit voraus.
Danke, Atari 2600 – für unzählige Stunden Spaß mit (aus heutiger Sicht) lächerlich minimalistischen Mitteln.